Marian Bichler on 27 Sep 2001 21:55:12 -0000


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Re(2): Re(2): Re(2): [rohrpost]Hey,Mr. Taliban!


rohrpost@mikrolisten.de schreibt:
>Antwort auf die Mail vom Donnerstag, 27. September 2001 19:55:
>
>> Kennst Du die Einschaltquoten von Phoenix, Arte, XXP, 3sat?
>> Stimmungen entstehen in der breiten Bevölkerung, und die gucken
>> sich keine Intellektuellen-Programme an.
>
>Das ist ein generelles Problem - bloss: Was ist da Ursache und was 
>Wirkung? Ich haue an solchen Stellen immer meine Lieblingszitate 
>raus: "Jede Gesellschaft kriegt das Fernsehen, das sie verdient". 
Das ist neben  vielen vielen vielen anderen Gründen eine Folge davon,
daß seit Mitte der 70er und spätestens seit dem deutschen Herbst '77
im Leitmedium Fernsehen eine Maulkorbpolitik um sich griff. Wilde
Diskussionen und wirklich kritisch/kontroverse Meinungen mußten einem
öffentlich-rechtlichen Ausgewogenheitsphantom Platz machen. Seitdem
ist das Angebot immer seichter geworden und die Moderatoren immer
glatter. Wenn man die Leute an Junkfood gewöhnt, fressen sie es. 
>
>
>Daß die großen Medien Propaganda machen - ich nehme an, zumindest 
>BILD tut das, wenn wir mal vom Fernsehen absehen - ist nichts neues, 
>und das erzeugt oder verstärkt zumindest Stimmungen. Nur: Der 
>Einfluss auf die Politik ist doch so gewaltig gar nicht. 
Das nicht. Aber das, was die Bevölkerung schluckt an Zumutungen - und
für mich ist z.B. die Idee von exorbitanten Mehrausgaben für
Sicherheit, die kaum vor Terroranschlägen schützen kann, eine
Zumutung- das wird von den Leitmedien verdaubar aufbereitet.

>Beispiel: 
>Der deutsche Antiamerikanismus. Der existiert, man denke nur an 
>Henryk Broder und die Reaktionen auf seinen Spiegel-Artikel. Und er 
>zieht sich von Links (hier in der Liste und an tausend anderen Orten 
>im Netz) nach ganz Rechts ("Die haben Hamburg bombardiert, das haben 
>sie jetzt davon"). Diese Regung schafft es bis ins Neue Deutschland 
>und die taz. Im Bundestag? Nichts zu spüren. 

Ich halte Herrn Broders These, der deutsche Antiamerikanismus gehe
auch in der Generation unter 60 auf den Haß zurück, von Hitler befreit
worden zu sein, für Demagogie. Wenn, dann ist deutscher
Antiamerikanismus auf den Vietnam-Krieg zurückzuführen. Wie breit
heutzutage die neue Rechte ist, und welche Positionen sie vertritt,
weiß ich nicht. Aber Antiamerikanismus ist kein Massenphänomen. Und
wird auch nicht von den Leitmedien propagiert. Das war in den 70ern
mal anders. Aber das ist lange her.
>
>Die großen Medien bedienen, wenn ich mich nicht sehr irre, heute vor 
>allem Bedürfnisse. Leute, die schon wissen, was sie glauben wollen, 
>gucken RTL. Denen könntest du auch 3sat vorsetzen - es wäre komplett 
>wurscht. 
Wahrscheinlich.
>Die 40 Prozent latenten Nazis in diesem Land kannst du eh 
>nicht umstimmen
 Ich würde nicht von latenten Nazis sprechen. Das Leute sind emotional
beeinflussbar und haben meist bei sich nicht den Schalter gefunden,
der heißt "selber denken". Sie plappern nach, was in den Medien als
Meinung vorgegeben wird. Als in den frühen 70ern Antiamerikanismus
populär war, war man eben gegen Amerika...
>
> 
>Und, mal ehrlich: Im Vergleich zu den Staaten geht es hier gesittet 
>zu. Und vor allem im Vergleich zu dem, was los sein wird, wenn es 
>hierzulande die ersten Toten gibt.
Das stimmt natürlich. Und ich finde es sinnvoll, sich genau das
Szenario sehr direkt vorzustellen, das Du im zweiten Satz beschreibst.
Mal ganz genau "hinzuspüren". Fortsetzung folgt.
>
>
Gruß Marian

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