Brrrichard on 25 Jul 2000 10:07:34 -0000


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Re: [rohrpost] kunstforum


hi

>  Warum postet du nicht das "Passwort" der Kunstforum-Website
>  (www.kunstforum.de), dann koennen wir uns das im Netz ansehen? (Steht im
>  Impressum...)

wuerde ich gerne, aber ich muss gestehen, ich weiss es bis jetzt auch noch 
nicht, weil ich meine belegexemplare noch nicht habe, melde mich dann wieder. 
es aendert sich glaube ich nicht, sondern die eigene abo-nummer ist der 
zugang?
fuer den uebergang den exposetext.
gruesse
birgit



Dauer-Simultaneität-Echtzeit.
Konzept für einen Band des Kunstforums International (druehl/richard)

Dieser Band beschäftigt sich dem Verhältnis von Zeit und Bild, mit den 
Phänomenen der Dauer, des Andauerns und Anhaltens von Bildern, ihrer 
Permanenz. Zeit ist bis jetzt vor allem ein Thema im 
(religions)-philosophischen Bereich (Ewigkeit und Unsterblichkeit, Sein und 
Zeit - Heidegger) oder in der Soziologie z.B. in der Biographieforschung, 
wenn es um die Lebenszeit oder um Freizeitgesellschaft und die Entwicklung 
von Zeitkompetenz geht. 
Dabei ist die Zeitlichkeit von Bildern in unterschiedlichen Medien der Kunst 
und des Alltags bisher vernachlässigt worden. Die Zeitmodelle der 
traditionellen künstlerischen Bildmedien sollen denen der technisch erzeugten 
Bilder gegenübergestellt werden. Prozeßhaftigkeit und Flüchtigkeit in neuen 
Formen, wie Performance sind die Reaktion der traditionellen Künste auf die 
technischen Medien. Sie sind Strategien gegen den Begriff des permanenten 
unveränderlichen Werks als Ausdruck von Hierarchien und Machtprozessen. 
Ein Schwerpunkt des Bandes sind die neuen Zeitkontinuen und -brüche, die die 
technischen starren und bewegten Bilder von der Fotografie bis zur 
Computeranimation herstellen. Themen sind z.B. das Spiel mit der linearen 
Zeitachse, die Zerstörung einer Bewegung entlang der Real Time Axis und das 
Aufbrechen von Kontinuität durch die apparativen Medien, wie es z.B. der Film 
vorführt. Durch technische Möglichkeiten wie Zeitlupe (Slowmotion), Schnitte, 
Rückblenden: Flashbacks, Standbild, das Einfrieren von Bildern (freeze) wird 
die lineare Zeitleiste fragmentiert. Auch die Steigerung der Bildfrequenzen 
innerhalb der DIN Norm von 24 Bildern pro Sekunde, wie sie  die Frame-Kultur 
der Musikvideoclips verkörpert und ihre Auswirkung auf die Wahrnehmung der 
Betrachter soll untersucht werden.
Der Mythos der scheinbaren Dauerhaftigkeit von technischen Bildern, d.h. ihre 
angenommene Unendlichkeit aufgrund der binären Struktur und ihrer 
Immaterialität soll untersucht werden. 
Analogien von technischen Verfahren wie feedback und psychoanalytischen 
Kategorien wie unendliche Wiederholung und Wiederholungszwang als Motiv 
sollen hergestellt werden.
Ein zweiter Schwerpunkt ergibt sich durch die bislang existierenden 
unterschiedlichen Zugangsweisen der bildenden Kunst zum paradoxen 
Zeitbegriff. Modelle der Dauer wie das Gezeitenprojekt von Jan Dibbets, das 
Tropfsteinprojekt von Bogomir Ecker oder der poetische Garten von Ian 
Hamilton Finlay sind dazuzuzählen, so wie diverse Modelle der 
Gleichzeitigkeit von Dan Graham bis zu globalen Internetaktionen wie die von 
rtmark. Zudem gibt es künstlerische Ansätze zum Umgang mit Echtzeit, z.B. von 
Station Rose und Roman Opalka und On Kawara, hier mit der Implikation der 
festgehaltenen Lebenszeit, aber auch das Kunst und Leben vereinende Konzept 
des Künstlerpaars Eva und Adele, in dem Echtzeit zur Kunstwerkzeit wird. 
Ein weiterer thematischer Schwerpunkt ist die avantgardistische Umdeutung von 
Zeitstrukturen in den Jugendkulturen. Deren Strategien beinhalten immer das 
"Verlassen" einer linearen Zeitachse, ob in technischen Verfahren wie das 
Time-Stretching (Drum+Bass), dem Pitchen, dem Cut und Mix, den stilistischen 
Revival-Retrospektiven oder einen futuristischen Look in der Mode. 
Jugendkulturen bestehen aus Brüchen und Zeitsprüngen. 
Extreme Dehnungen oder Zerstückelung von Zeit existieren auch in der 
Videokunst (Bill Viola/Granular Synthesis). 
Die neuen Medien erlauben die Visualisierung von Zeit durch die Vertauschung 
von Zeit-und Raumachse durch die Neukonstruktion von Zeiträumen (z.B. Ars 
Electronica 1998: geronnene Zeit, neue Zeit- und Raumachsen Tamas Walitzky, 
1997: art und com,) 
Neben dem oben angesprochenen Thema der Dauer soll die Möglichkeit der 
Simultaneität, der Gleichzeitigkeit von Bildern diskutiert werden, wie sie 
sich z.B. in den unhierarchischen Bilderhaufen der Hypertext-Strukturen 
zeigen.


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