ubermorgen:: : on Tue, 17 Feb 2004 01:26:11 +0100 (CET)


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[rohrpost] die intellektuelle herausforderung:mensch-computer-tandems



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news auf http://www.ubermorgen.com <-- kicken
allgemeine betriebswirtschaftslehre, ubermorgen interna
und weitere unwiderstehlichkeiten; oh ist das abgelutscht,
probieren geht ueber studieren: http://www.ubermorgen.com,
und versprochen, die neue 2004er site kommt in den naechsten
wochen oder halt monaten, oder dann ueberhaupt nicht... und
ueberhaupt...
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Die intellektuelle Herausforderung: Mensch-Computer-Tandems
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Mit den Computern der Wissensverarbeitung werden 
sich die Anforderungen an die menschliche 
Intelligenz wandeln.

Der Mensch wird nicht mehr so viel epistemisches 
Wissen wie heute zu speichern haben, sondern er 
muß verstehen, sich das in den Computern der 
Wissensverarbeitung gespeicherte epistemische 
Wissen verfügbar und nutzbar zu machen. Der 
Mensch braucht auch nicht mehr die prozeduralen 
Details der Methoden der Wissensverarbeitung zu 
beherrschen, sondern er braucht die Methoden nur 
funktional zu verstehen. Das schafft ihm 
Freiheit, eine größere Vielfalt von Methoden im 
mentalen Zugriff zu haben. Das Wissen wird also 
geteilt werden zwischen den Menschen und den 
Computern. Intelligenz wird nicht mehr ein 
isolierbares Attribut der Menschen sein, sondern 
das Attribut von Mensch-Computer-Tandems. [4] Das 
erinnert ein wenig an Kurt Kusenbergs 
Kurzgeschichte "Geteiltes Wissen" [5], in der 
zwei Zwillingsbrüder ein Lexikon jeweils etwa zur 
Hälfte beherrschen, keiner aber irgend etwas aus 
dem jeweils anderen Teil des Lexikons weiß, von 
der "Überlappungszone K bis L" abgesehen. Nur 
wird zwischen dem Menschen und dem Computer das 
Wissen nicht willkürlich wie bei der Teilung 
eines Lexikons aufgespalten, sondern es werden 
solche Wissensarten an den Computer übergeben, 
die er effizienter verarbeiten kann als der 
Mensch und die er dem Menschen 
anforderungsgerecht wieder verfügbar machen kann.

Ist das beunruhigend? Für einige sicher! Manche 
werden entsetzt sein beim Gedanken an diese 
Zukunft. Andere werden das als intellektuelle 
Herausforderung empfinden und sich auf diese 
Zukunft vorbereiten und sie mitgestalten.

Es kommt auf uns selbst an, wie wir die Zukunft 
empfinden wollen. Es ist unsere freie 
Entscheidung, ob wir die Zukunft negativ, als 
Bedrohung, oder positiv, als Herausforderung, 
empfinden. Der aufgeklärte Mensch [6] ist sich 
dieser Freiheit bewußt, seine Einstellung zu, 
seine Meinung über, seine Vorstellung von, seine 
Empfindung gegenüber der Lebenswelt zu bilden. 
Die Stoiker haben das sehr plastisch zum Ausdruck 
gebracht. So schreibt Epiktet [7] (um 50 bis ca. 
138 n. Chr.):

"Verwechsle nicht die Dinge mit deinen Vorstellungen!

Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, 
sondern die Vorstellungen von den Dingen Wenn wir 
also unglücklich, unruhig oder betrübt sind, 
wollen wir die Ursache nicht in etwas anderem 
suchen, sondern in uns, das heißt in unsern 
Vorstellungen. Der Ungebildete macht andern 
Vorwürfe, wenn es ihm übel ergeht. Der 
philosophische Anfänger macht sich selber 
Vorwürfe. Der wahrhaft Gebildete tut weder das 
eine noch das andere."

Und [8]:

"Von den Dingen hat Gott die einen in unsere 
Gewalt gegeben, die andern nicht. In unserer 
Gewalt gab er das Herrlichste und Erhabenste, 
wodurch er selbst glückselig ist: den Gebrauch 
der Vorstellungen. Wenn wir sie recht gebrauchen, 
bedeutet das für uns ein freies, leichtes, 
heiteres, beständiges Dasein; es bedeutet Recht, 
Gesetz und Selbstbeherrschung, überhaupt jede 
Tugend."

Und der Stoiker und römische Kaiser Marc Aurel 
(121 bis 180 n. Chr.) sagt uns [9]:

"Die Zukunft darf dich nicht beunruhigen; wenn es 
nötig werden sollte, wirst du ja an sie im Besitz 
derselben Vernunft herankommen, die du jetzt 
gegenüber der Gegenwart gebrauchst."

Und [10]:

" Halte deine Fähigkeit, dir Meinungen zu bilden, in Ehren ..."

Die Computergeneration der Wissensverarbeitung 
wird kommen und wird den Menschen die 
intellektuelle Arbeit erleichtern, gleichzeitig 
sie freimachen für eine effizientere Nutzung 
ihrer geistigen Fähigkeiten. Wie das im einzelnen 
aussehen wird, ist abzuwarten, die Grundtendenz 
ist jedoch zu erkennen. Es liegt in der Macht 
jedes einzelnen, über seine eigene Einstellung zu 
der elektronischen Wissensverarbeitung zu 
entscheiden. Er sollte ehrlicherweise und unter 
Einbeziehung dessen, was uns die Stoiker gelehrt 
haben, nicht sagen "Die elektronische 
Wissensverarbeitung ist böse und unmenschlich!", 
sondern "Ich empfinde sie als böse und 
unmenschlich." bzw. nicht sagen "Die 
elektronische Wissensverarbeitung bringt das 
Paradies der Menschheit!", sondern "Ich glaube, 
sie bringt das Paradies der Menschheit." Er 
sollte also in seiner Sprache deutlich machen, ob 
er über die Dinge dieser Welt oder über seine 
Vorstellungen von ihnen spricht. Es ist in die 
Gewalt eines jeden gelegt, seine eigene Meinung 
zu den neuen IKT zu bilden. Dieser großartigen 
Freiheit muß man sich bewußt sein.

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