Martin Brust@gmx.de on Thu, 7 Aug 2003 10:38:35 +0200 (CEST)


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Re: [rohrpost] heise online: Red Hat: Pinguine aller Laender,vereinigt euch!


At 09:03 07.08.2003 +0200, André C. Hercher wrote:

>----- Original Message -----
>From: "Florian Cramer" <cantsin@zedat.fu-berlin.de>
>
>
> > - Und schließlich: Wie erklären pro- wie anti-marktwirtschaftliche
> > Ökonomen die Existenz halbseidener Parasiten-Firmen, deren
> > Geschäftsmodell allein darauf beruht, andere Firmen und Privatpersonen
> > auf Grund fadenscheiniger Urheber-, Vertrags- und Patentrechtsclaims
> > zu verklagen und daraus Millionengewinne scheffeln?
>
>Glaube kaum, daß die Ökonomie die richtige Wissenschaft zur Erklärung der
>Phänomens ist.
>Die Sache ist ja mit Diebstahl oder Bilanzfälschung zu vergleichen und daher
>eher ethisch oder psychologisch zu fassen.

was ist eigentlich falsch an diesem vorgehen, solange marktwirtschaftliche 
(gibt es denn tatsächlich einen markt? mir gefällt kapitalistisch nach wie 
vor besser), also: solange kapitalistische bedingungen herrschen und nicht 
hinterfragt werden? will man den kapitalismus mit moral oder idealismus 
oder vorstellungen einer irgendwie digitalromantischen neuen Aufklärung im 
zaume halten? eigentlich schon immer, zumal aber seit der kapitalismus 1989 
zum sieger der geschichte erklärt wurde, geht es um die produktion von 
mehrwert und um gewinne - weitgehend egal wie. was unterscheidet SCO von 
irgendwelchen telefonverzeichnis-firmen, die ihre schreiben wie 
halbamtliche dokumente aussehen lassen in der (berechtigten, der dummheit 
sei dank) hoffnung, die empfänger zahlen lieber erst mal bevor da 
vielleicht ärger entstehen könnte? was unterscheidet SCO von produzierenden 
unternehmen, die in vollstem wissen die potenzielle haltbarkeit ihrer 
produkte limitieren, um auch zukünftig für absatz zu sorgen? vom metzger, 
der seine steaks mit einem bestimmten ausschnitt des lichtspektrums 
beleuchtet, weil sie dann fleischiger und leckerer aussehen?  oder von den 
herstellern von scannern, die nach ein paar jahren die produktion neuer 
treiber einstellen - weil sich kein user vor einen 
betriebssystemwechsel  gedanken darüber macht, ob der scanner hinterher 
noch funktioniert - und dann eben einen neuen kauft?

> >(Warum hat
> > noch kein Science Fiction-Autor einen Roman über eine Zukunft
> > mit einer potemkischen Ökonomie geschrieben, in der "symbolisches
> > Kapital", "Aufmerksamkeitsökonomie", "Dienstleistungsgesellschaft"
> > eben keine Verheißungsvokabeln sind, sondern die Insignien einer
> > Halsabschneider-Ökonomie mafiöser Scheinfirmen, die sich gegenseitig mit
> > "Intellectual Property"-Klagen überziehen und auf diese Weise Geldströme
> > kreieren?)
>
>Vielleicht weil klar ist, daß eine Wirtschaft nicht nur aus parasitären
>Elementen bestehen kann.
>Folglich muß man mindestens eine Zweiteilung der Gesellschaft annehmen, bei
>der die dekadente
>Oberschicht sich in ihren quasi-wirtschaftlichen Spielchen ergeht.
>Doch dann würde sich das Grundgerüst kaum von Utopien seit HG Wells
>unterscheiden.

wo ist der strukturelle unterschied zwischen sogenannten parasitären und 
produzierenden elementen? ist das wie mit dem schaffenden und raffendem 
kapital? SCO betreibt kein quasi-wirtschaftliches spielchen, sie glauben, 
nach geltender rechtslage rechte zu besitzen und treiben die daraus 
möglichen gewinne ein. das ist vielleicht nicht das standardisierte 
wirtschaftliche vorgehen, aber es ist auch kein krimineller betrug (oder 
schicken sie schlägertrupps zu IBM-chef palmisano?) meines erachtens 
unterscheidet sich das wirtschaftliche grundgerüst übrigens kaum von HG 
Wells zeiten. warum glaubt man denn bloß immer, wenns digital ist 
funktionieren die ganzen alten wirtschaftlichen (soll ich schreiben: 
betrügerischen?) mechanismen auf einmal nicht mehr? hat 1995 irgendwer 
etwas von einer freiwilligen selbstauflösung kapitalitischer strukturen 
gehört?


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