Peter Zorn on Tue, 29 Jul 2003 18:41:43 +0200 (CEST)


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Re: [rohrpost] OT: Kanon der 35 Filme


Sorry, war über die letzte  Woche mit unsererm Jubiläum beschäftigt,
deswegen diese späte Rückantwort:

Jan Ulrich Hasecke wrote:

>Peter Zorn <pz@werkleitz.de> writes:
>
>  
>
>>Möchte ich auch nicht so ganz im Raum stehenlassen, denn der
>>Großteil der von MTV aufgegriffenen Ästhetik kommt aus dem
>>Experimentalfilm und existierte zum Teil bereits, als das Fernsehen
>>gerade erfunden wurde, wie man an Len Lyes "Rainbow Dance" von 1935
>>sehr schön sehen kann. (http://cinovid.org/title/1786)
>>    
>>
>
>Ich weiß nicht, ob solche Traditionslinien viel Sinn machen. Dadurch
>dass der Mainstream sich bei der Avantgarde bedient, wird diese ja
>erst zur Avantgarde, sonst wäre sie ja eine Sackgasse. ;-)
>
Klar, mir ging es gerade darum, dass die eigentlich innovative und kreative
Arbeit nicht von MTV geleistet wurde, sondern dass sich die Sender
solcher ästhetischen Formen bedienen, ohne dass sich jemand für den
experimentellen Freiraum stark macht, d.h. weder die Sender Lust
haben darin zu investieren, noch die staatlichen Kulturförderungen, die
eine nach der anderen den wirtschaftlichen Förderungen weichen.
Und eine wirtschaftliche Filmförderung sieht ihre Aufgaben nicht in der
Unterstüzung kleiner Experimente von unabhängigen KünstlerInnen.

>
>Es besteht doch ein fundamentaler Unterschied zwischen der
>Distribution und der Wirkung von Videokunst und MTV. Ich denke auch
>nicht, dass die Videokunst die Möglichkeiten der Technik früher
>gerochen hat als MTV und damit MTV den Weg zur adäquaten Nutzung des
>Mediums gewiesen hat.
>
Was technische Entdeckungen angeht: nicht nur die Videokunst,
sondern bereits noch früher der Experimentalfilm haben dies getan.

So viel Neues hat MTV eben gar nicht zu bieten, natürlich aber den
notwendigen ökonomischen Impakt für die massenhafte Verbreitung.
Da stimme ich sicherlich zu.

> MTV hat einfach etwas genutzt, was da war und
>sich kommerzialisieren ließ. 
>
Genau darin liegt das Problem: MTV hat einfach ästhetische und technische
Ideen von KünstlerInnen kopiert, aber meistens weder diese direkt 
involviert,
noch deren Konzepte berücksichtigt.

Wenn sich dann weder die Konzerne noch der öffentliche Sektor mehr um
die eigentlichen Erneuerer der Bildsprache kümmern, dann werden wir wohl
die nächsten Jahre mit dem bereits Gesehenem vorlieb nehmen müssen ;-)

>Dadurch aber hat MTV, und nicht die
>Videokunst, die Sehgewohnheiten verändert.
>
Ich sehe es in dieser Kausalkette: Ästhetische Formen/Konzepte der 
Videokunst/Experimentalfilm wurden von MTV entliehen
und von einigen Spielfilmregiesseuren wie zB David Lynch oder 
Jean-Pierre Jeunet
und gelangten dadurch auch ins Bewusstsein eines Mainstreampublikums.

>
>Aus der Masse der Experimente lassen sich für Mainstream-Entwicklungen
>ex post immer beliebige Vorgänger herausfischen.
>
Natürlich! Aber deswegen sollten doch zumindest die medien- und 
kunstwissenschaftlichen
Lorbeeren diesen Vorgängern zufallen und nicht den Mainstreamkonzernen,
wenn die KünstlerInnen schon keinen wirtschaftlichen Vorteil davon haben!

Gruss

Peter Zorn

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