Ruine der Kuenste Berlin on Tue, 11 Mar 2003 10:34:51 +0100 (CET)


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Re: [rohrpost] Net.art deceased: Buchneuerscheinung



-----Ursprüngliche Nachricht----- 
Von: "Gerrit Gohlke" <news@gerritgohlke.de>
An: <rohrpost@mikrolisten.de>
Gesendet: Sonntag, 9. März 2003 21:34
Betreff: [rohrpost] Net.art deceased: Buchneuerscheinung

Wenn schon Mutter
AN(N)A log,
was erwartet Ihr vom Sohn
DIGI Tal ?


Wolf Kahlen
wolf.kahlen@tu-berlin.de

PS. Wer's denn genauer wissen möchte:
Wir (ich will nur für Künstler sprechen) haben alle das gute Recht, immer wieder neu die Kunst tot zu sagen, besonders, wenn wir mit zu falschen Hoffnungen angetreten sind, aber sie dann auch wieder auferstehen zu lassen, wenn die eigene Weltwahrnehmung sich ändert.Die 'Krankheit' (Goriunova), die zu den Hinrichtungen wie den Wiedergeburten führt und immer schon geführt hat, ist, dass in der Kunstgeschichte der Menschheit, die eine Material- und Mediengeschichte ist, mit jedem neuen Wahrnehmungswerkzeug (aller 12 oder mehr Sinne), ob Spiegel...Kamera...Video...Audio...Internet...(füllen Sie die Räume davor und danach weiter aus,wenn Sie wollen) die bürgerliche, also nicht von den Künstlern, die sich später als 'ewig' herausgestellt haben, sondern von denen, die letztendlich doch 'nur Bürger' mit ein paar klugen Wahrnehmungen waren, gesellschaftliche Hoffnungen für ihren menschenverbessernden Einsatz gehegt wurden.Und das ist selten unsere Aufgabe, meine nie, gewesen.  Kurz: .....Dada hat keinen normalen Menschen aufgeweckt, sondern war das hohe Kunstvergnügen der Intellektuellen....Popkunst ebenso wie Fluxus, Happening, Video...Die 'ganz Grossen' haben sich erstaunlich zurückgehalten in ihren Euphorien oder hoch über die Latte alles Möglichen zu springen hinausgezielt, sich also wiederum letzlich ein intellektuelles Vergnügen aus dem  Unerreichbaren gemacht. Das ist, wenn man kühl hinsieht, leider so, sorry für alle Anderen, die es auch (allzu)gut meinten.
Die 'Zweitrangigen' (das ist nur numerisch gemeint) waren eben doch nicht die Künstler in erster Linie, die -und darauf kommt es an, auf nichts Anderes : -das im Hegelschen Sinne wesentlich Geistige, sich sinnlich äussern zu lassen, beherrschten.
Das Dilemma  (bis auf eine wirkliche Handvoll Namen), dass sich Andere vielleicht schneller gesellschaftutopisch, vermeinttlich realitätsbewusster geäussert haben, aber ihre Kraft nicht reichte, um -jetzt gehen wir ins Netz - eine neue Wirklichkeiten-Präsenz (siehe oben: An(n)a log...) zu erzeugen, hat dazu geführt, dass jetzt die Flinte von denen ins Korn geworfen wird, denen sowohl die 'neue Sicht'  tagtäglich mehr aus den Händen genommen wird und die nicht die Durchhaltekraft eines Künstlers haben, der nicht nur mal eben, sondern sein Leben lang etwas zu sagen hat. Ich will es noch härter sagen: Sehen Sie sich doch mal die Websites, NetArt-Stücke (ich spreche nicht von Texten, das sollen andere entscheiden) der Protagonisten 'der ersten Reihe' an. Da wimmelt es nur von ästhetischen, konzeptuellen und handwerklichen Übernahmen, das Collageprinzip des Netzes z.B. wird fast nie künstlerisch angezweifelt, geschweige denn unterlaufen. Nichts wird wirklich unterlaufen, nichts läuft wirklich über: Solange unsere Werkzeuge Netz und Computer sich nicht von innen heraus auf den Bildschirm spucken lassen, ist endemische Kunst damit zu machen eben ungeheuer schwer, um nicht zu sagen unmöglich.
Ich selbst habe zwar in den Sechzigern Photo, Film, Video und Performance (damals nannten wir das noch Aktionen) mit ins Leben gerufen, aber nie als heilbringend verstanden (anders als Andere der Zeit, deren Namen ich vergessen habe), sondern nur als Büchsenöffner der die Psyche beeindruckenden Wahrnehmungen. Nur Mut, die Netzarbeit beginnt erst (was den fünf Arbeiten, die ich als grossartig und im wahrsten Wortsinne als einzigartig bestehen lassen, würde keinen Abbruch tut, nur schade, dass von deren Machern auch nicht Neues mehr kommt)  das Problem liegt im System, zu dem -darüber zu sprechen ist ein anderes Thema, zu dem ich mich früher geäussert habe - nur als Beispiel die lächerlichen Funktionen des digitalen Setzens oder Löschens, die unsägliche Technik des Kopierens und die fehlenden Nuancen zwischen Ja und nein gehören).
Come on An(n)a, log in, dig it again.
Wolf Kahlen



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