Florian Cramer on Thu, 30 Jan 2003 23:00:08 +0100 (CET)


[Date Prev] [Date Next] [Thread Prev] [Thread Next] [Date Index] [Thread Index]

Re: [rohrpost] Nachtrag zum bootlab


Am Donnerstag, 30. Januar 2003 um 21:59:13 Uhr (+0100) schrieb Henning
Ziegler:

> Ok, ich relativiere: Solange dieser Code auf einer aktuellen Maschine
> wie einem Powerbook gezeigt wird, innerhalb einer Oberfläche, die
> selbst etwas ganz anderes ist,

Einspruch. Auch diese Oberfläche ist in einer Hochsprache wie
C++/Objective C/C geschrieben und greift den Lowlevel-Graphiktreibern
ggfs. auf Assemblerroutinen zurück.

Im übrigen ist auch bei MacOS X die graphische Oberfläche
mitsamt Klassenbibliotheken eine zusätzliche Schicht oberhalb des
nichtgraphischen Mach/BSD-Unix.

Du kannst aus jedem Betriebssystem die graphische Oberfläche
herausnehmen - bei Microcontrollern z.B. ist oft gar keine
Bedienoberfläche, nicht einmal ein Terminal nötig -, unmöglich aber 
den Code. 


> ist es "nur" eine Frage des _Style_ und somit
> "nur" ästethischer Effekt (Martins Software-Präsentation war also so
> einer). 

Ich habe die bootlab-Präsentation nicht gesehen. Wenn ich Dein Argument
trotzdem richtig verstehe, würde ich Dir widersprechen. Um einen
Vergleich zu wählen: Man kann an einem Fernseher die Sender per
Knopfdruck an der Fernbedienung wechseln.  Dies ist gewissermassen
ein "high level"-Interface, das von der low level-Einstellung der
Senderfrequenz per Einstellrad abstrahiert. Nun hat auch jeder moderne
Fernseher weiterhin das low level-Interface, wenn auch versteckt, weil
nur mit ihm sich bestimmte Grundkonfigurationen einstellen lassen. Zu
behaupten, das Frequenzwahlrad wäre angesichts der Fernbedienung nur
noch ein "ästhetischer Effekt", halte ich für gewagt - und zwar auch
dann noch, wenn dieses Rad nur noch als Simulation auf der Fernbedienung
existiert (so, wie das Terminalfenster unter X11 oder MacOS X).

> Verbunden mit der entsprechenden Technik wird vielleicht ein
> Schuh daraus; wiederum bezweifle ich das da eine Nähe zur Maschine
> entsteht, da es solche Maschinen wohl nur noch im Museum gibt und sie
> kein Mensch  bedienen kann (Kernkraftwerk-Opas). 

Da täuschst Du Dich aber. Fast alle Programmierung läuft aus guten Grund
mit Kommandozeilenwerkzeugen ab, und Hardware-nahe Programmierung, oft
auch in Assembler, ist unabdingbar, wenn man z.B. Compiler schreibt,
Gerätetreiber, Betriebssystem-Kernel (auch Linux enthält Assembler-Code)
oder zeitkritische Anwendungen auf embedded-Systemen von PDAs bis zu
Nähmaschinen schreibt.


> Alle Hochsprachen sind kulturell-politische Konstrukte weil sie
> keine natürlichen Sprachen sind (--> Wolfgang Hagens These vom
> imperialistischen OOP),

Auch die sogenannten "natürlichen" Sprachen wie Deutsch sind
selbstverständlich kulturelle Konstrukte. Die Terminologie von
"natürlichen" vs. "künstlichen" Sprachen ist eine etwas seltsame
Erfindung der analytischen Philosophie. (Ich fände es sinnvoller, von
formalen [=rein denotativen] sowie nichtformalen [=sowohl denotativen,
als auch konnotativen] Sprachen zu sprechen.)


Es wäre aber nett, wenn Du/Ihr uns einmal über den Kontext der
bootlab-Diskussion aufklären könntet! 

-F

-- 
http://userpage.fu-berlin.de/~cantsin/homepage/
http://www.complit.fu-berlin.de/institut/lehrpersonal/cramer.html
GnuPG/PGP public key ID 3200C7BA, finger cantsin@mail.zedat.fu-berlin.de
-------------------------------------------------------
rohrpost - deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze
Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost http://post.openoffice.de/pipermail/rohrpost/
Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/