Krystian Woznicki on Sat, 17 Nov 2001 13:13:36 +0100 (CET)


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[rohrpost] Fwd: Arbeitszwang, 22.11., BLN


* http://www.callcenteroffensive.de *
Liebe Call Center Agents, liebe allgemein Interessierte,

wir laden Euch herzlich zu unserer Abendveranstaltung am 22.11.01 um 19:30 
zum Thema Arbeitszwang im Kato (im U-Bhf. Schlesisches Tor) ein.  Als 
Gastreferent begrüßen wir Frank Rentscher vom AK Erwerbslose im DGB Marburg.

Eure CCO

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Arbeitszwang: Umschulungen, Fortbildungen und "Stelle statt Stütze"

Abendveranstaltung im Kato, im U-Bahnhof Schlesisches Tor, 22.11.2001, 
19:30 Uhr

Zu Gast: Frank Rentscher vom AK Erwerbslose im DGB Marburg

Nachdem die schrödersche Beschäftigungsoffensive dem regierungsamtlichen 
Erklärungsmuster und den Angaben Roland Kochs zufolge mal wieder an der 
hartnäckigen Faulheit der Erwerbslosen gescheitert ist, werden jetzt die 
härteren Bandagen ausgepackt. Allein, das Erwerbslosendasein war schon 
immer alles Andere als ein Leben unter Sonne, Strand und Palmen. Zum 
schleichenden Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben gesellten sich 
bislang Sperrzeiten beim Arbeitsamt, Kürzungen der Sozialhilfe und im 
Extremfall gar die vollständige Streichung derselben. Schon seit den 
Bismarckschen Anfängen des deutschen Sozialstaatsmodells bildeten derlei 
sozialverwalterischen Zwangsmaßnahmen die repressive Kehrseite allzu 
romantischer Wohlfahrtsträume.

Nun kommt es aber noch dicker. Wurde früher zumindest dem Anspruch nach 
noch ein Existenzminimum abgesichert, so sind Erwerbslose heute in der 
öffentlichen Wahrnehmung nur noch ein Kostenfaktor, den es zu begrenzen 
gilt. Den vermeintlichen Arbeitsscheuen wird die Schuld an den steigenden 
Sozialversicherungskosten in die Schuhe geschoben, diese Lohnnebenkosten 
aber seien zum Wohle des "Standort Deutschland" abzusenken. Schuld seien 
schlicht die Erwerbslosen selbst, heißt es, weil sie zu unflexibel seien, 
zu schlecht ausgebildet, oder gar zu faul und somit das soziale Netz 
missbrauchen. Die neue Spezies des "Sozialschmarotzers" ward geboren. Dem 
soll jetzt mit einem Mehr an Eigenverantwortung und lebenslänglicher 
Weiterqualifizierung und einem Weniger an unverfrorener Anspruchshaltung an 
die Arbeitsbedingungen entgegen gewirkt werden. Die Maßstäbe der so 
genannten Zumutbarkeit werden immer weiter nach unten korrigiert. Die 
besonders Mutigen sollen überdies im kalten Wasser der Selbstständigkeit 
das Schwimmen lernen, um alsbald in aufstrebenden Gründerunternehmen viele 
neue schöne Arbeitsplätze zu schaffen. Besondere Hoffnungen richten sich 
dabei auf die Start-ups der Internetökonomie, auf den ausufernden 
Marketingbereich und ganz allgemein auf jegliche Dienstleistungen zum 
zweifelhaften Wohle von wem auch immer. Das wirklich Schöne an diesen ach 
so neuen Arbeitsplätzen aber sind die neuen Formen der Arbeitsverhältnisse, 
die keine Fesseln von Branchentarifverträgen mehr kennen, die die Idee des 
bezahlten Urlaubs für obsolet erklären. Alles ist so herrlich flexibel, da 
sind ruhig auch mal Arbeitszeiten von 7 Tagen die Woche drin, und wer sich 
gebraucht fühlt, kann auch bis zu 80 Wochenstunden ranklotzen. Zur 
Belohnung werden dann alle Eigentümer ihrer Unternehmen, dann arbeitet es 
sich noch besser.

Wer da nicht freiwillig mit macht, für den halten Arbeits- und Sozialämter 
dann die richtigen Mittel bereit: Fortbildung und Umschlungen, auch 
Arbeitsangebote, die nur ein Einkommen in der Höhe der Arbeitslosenhilfe 
versprechen (ungefähr 1000 DM im Monat), sind mit der gebührlichen 
Dankbarkeit entgegen zu nehmen. Die Reihe der arbeitsmarktpolitischen 
Segnungen ließe sich noch lange fortsetzen. So kommt es dann auch zu den 
netten Fortbildungen zum/zur Call-Center-AgentIn. Bei einer zweijährigen 
Ausbildung, inklusive zweier Praktika von 6 Monaten ­ unbezahlt, versteht 
sich. So bekommen die allseits subventionierten Betriebe auch gleich noch 
ein paar unbezahlte Arbeitskräfte dazu.

Wir wollen mit Betroffenen der ABM-Ökonomie, aber auch mit Vertretern von 
Bildungseinrichtungen sowie mit AgentInnen aus Call Centern über den Sinn 
und Unsinn solcher Maßnahmen diskutieren. Wir wollen einschlägige 
Erfahrungen zusammentragen. Was bringt das alles den Menschen in solchen 
Maßnahmen? Was haben die AgentInnen davon? Oder tragen vielleicht den 
meisten Nutzen nur die gut verdienenden Bildungseinrichtungen davon? Neben 
den Call-Center-Agenturen im Billiglohnsegment selbst natürlich.

Schreibt uns ruhig auch schon vor der Veranstaltung ­ an: 
info@callcenteroffensive.de




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