florian schneider on 7 Jun 2001 20:39:43 -0000


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[rohrpost] free.de


http://www.free.de/erklaerung.html

Am 26.4.2001 wurde dem Wissenschaftsladen Dortmund e.V. [1] eine
einstweilige Verfügung vom Landgericht Bochum auf Betreiben der ISI
Marketing GmbH [2], Bochum, zugestellt. Der Antrag der Verfügung lautet
auf "unlauterer Wettbewerb und unerlaubte Handlung". In der Verfügung
wird untersagt, das Unternehmen als "xxxxx xxxx" oder die dort
angebotenen Arbeitsstellen als "xxxxxxxxxx" zu bezeichnen. Bei
Zuwiderhandlung droht eine Ordnungsstrafe von bis zu 500.000,- DM bzw. 6
Monaten Haft. 

Am 16.5. erhielten wir auf Betreiben der ISI Marketing GmbH eine
Abmahnung, in der zum einen behauptet wird, wir hätten "vor und auf dem
Grundstück, auf dem sich die Räumlichkeiten unserer Mandantin befinden,
das aus Anlage 1 ersichtliche Flugblatt verteilen lassen" und uns zum
anderen vorgeworfen wird, wir hätten in dem Text des Flugblattes gegen
ISI den "Vorwurf der Erpressung" erhoben. 


Von: "helmut" <helmut@free.de>

Erklaerung des Sprecherrats der Industriegewerkschaft Medien (in
ver.di) Dortmund zur einstweiligen Verfuegung gegen den
Wissenschaftsladen Dortmund

Mit grosser Ueberraschung haben wir aus der Netzerklaerung des
providers free.de (bzw des Wissenschaftsladens Dortmund als seinem
Betreiber) zur Kentniss genommen, dass das Landgericht Bochum einem
Antrag auf einstweilige Verfuegung (sogar ohne Verhandlung) der Firma
ISI Marketing gegen den Wissenschaftsladen Dortmund stattgegeben hat,
ein weiterer wird in der naechsten Woche verhandelt. (Hintergruende
und Aktuelles unter www.free.de).

Als Gewerkschaft, die fuer Belegschaften und Betriebsraete zahlreicher
Call Center und aehnlicher Dienstleistungsbetriebe zustaendig ist,
erklaeren wir dazu:

1.free.de ist uns, wie vielen anderen Buergerinnen und Buergern der
Stadt Dortmund und Umgebung, bekannt als Projekt, das Internetzugaenge
bereitstellt nicht aus kommerziellen Gruenden, sondern aus politischem
und gesellschaftlichem Engagement. Wie wohl alle, die diese Erklaerung
zur Kentniss genommen haben, sind wir daher aeusserst verwundert, dass
das UWG zur Anwendung gebracht wird.

2.Wir meinen, dass es sich vielmehr um das Problem freier
Meinungsaeusserung handelt, dass das Presserecht tangiert wird und
dass beide keinerlei Grundlage bieten, irgendeine Massnahme gegen
free.de bzw den Wissenschaftsladen Dortmund einzuleiten.

3.Zu dem Flugblatt, dessen Internetvarianten Grund der einstweiligen
Verfuegung sowie einer weiteren Abmahnung gegen den Wissenschaftsladen
als Provider und von daher - presserechtlich aeusserst umstritten -
Verantwortlichem gewesen ist:
Wie aus dem Text leicht zu ersehen ist, stehen die dafuer
Verantwortlichen den Gewerkschaften nicht eben nahe. Was sowohl auf
Gegenseitigkeit beruhen mag, als auch fuer uns voellig unerheblich
ist - es geht nicht um die Meinung dieser Gruppe, sondern um das Recht
auf eine eigene Meinung. Ein verteidigungswuerdiger Grundsatz fuer
alle Gewerkschaften - weswegen wir diesen Vorgang auch nicht nur in
unserer Mitgliedschaft, sondern auch im gesamten Deutschen
Gewerkschaftsbund und der allgemeinen Oeffentlichkeit bekannt machen
werden und den Wissenschaftsladen Dortmund entsprechend juristisch
unterstuetzen werden.

4.Wir kennen die Firma ISI Marketing, ihre Geschaeftsfuehrung und ihre
Anwaelte nicht und demnach auch nicht die Verhaeltnisse, die in diesem
Betrieb herrschen. Wir kennen aber viele Betriebe dieser und
aehnlicher Branchen. Vor allem kennen wir aber die Beschaeftigten
dieser Betriebe. Und wir koennen jedem versichern, wenn solch ein
Beispiel Schule machen wuerde, wuerde es nicht nur um die Freiheit des
Internet schlecht bestellt sein: Wenn fuer negative Meinungen zum
jeweiligen Arbeitgeber faktisch Bußgelder zu bezahlen waeren, so waere
ein guter Teil bundesdeutscher Haushalte ueberschuldet.

5.Wir kennen auch die Motive fuer rechtliche Schritte nicht - aber wir
wissen, dass wer ein oeffentlich verbreitetes Flugblatt mit offenbar
notduerftig konstruierten Vorwuerfen wegen umgangssprachlicher
Formulierungen zum Verschwinden bringen will, vielleicht eher einen
Juristen braeuchte, der ihm oder ihr das Grundgesetz erlaeutert.

Obwohl die Firma ISI Marketing und ihre juristischen Vertreter bisher
lediglich umgangssprachliche Formulierungen, aber keine Sachaussagen
zur Abmahnung beantragten, hueten wir uns einstweilen vor der
naheliegenden Schlussfolgerung, dass in ein Wespennest gestochen wurde
und die Vorwuerfe zutreffen

Dortmund, den 7.Juni 2001

Fuer den Sprecherrat der IG Medien Dortmund


Ulrich Leicht
Eberhard Lux
Helmut Weiss

IG Medien Dortmund
Am Ostwall 17 - 21
44135 Dortmund

0231 - 571002

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