Ausstellungszentrum Heiligenkreuzerhof on 30 Sep 2000 22:08:24 -0000


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[rohrpost] M I N U S D E L T A T I M G E S P R Ä C H / M I K E H E N T Z L E C T U R E _ P E R F O R M A N C E


special edition of information/sorry for spam + crossmails
 
"WIR WOLLEN DIE DIREKTE UND UNMISSVERSTÄNDLICHE HANDLUNG.
DIE FRAGE NACH DEM FREIRAUM IST EINE FRAGE NACH
UNVERANTWORTLICHKEIT." minus delta t 1982
 
Ein Blick auf Performances der 80er Jahre Gruppierung minus delta t, Wien 2000
 
minus delta t -
DAS BANGKOKPROJEKT (1980-83)
( http://vis-med.ac.at/minusdeltat )
"Eine Forschungsreise von Europa nach Asien in einem Lastkraftwagen. Ein Steintransport als Katalysator im Sinne von Feldforschung. Der Stein wird im Himalaya abgeladen. Der Transport macht den Stein zur Skulptur. Die Kilometer, die zu bewältigen sind, werden als Aktien verkauft. Der Stein findet so seine Besitzer und gehört dem europäischen Kunstmarkt an." (-dt, 1982)
Diskussion/ Archivbilder/ Radiobeiträge/ -dt Musik
Konzept und künstlerische Leitung: Rosa von Suess
Eine Kooperation der Universität für Angewandte Kunst Wien und der Akademie der bildenden Künste Wien.
 
Podiumsdiskussion: 9. 10. 2000, 19.00 Uhr
Die minus delta t Mitglieder Karel Dudesek und Mike Hentz im Gespräch mit einstigen Berichterstattern der Steinreise: Dr. Wolfgang Kos
(Ö1 Diagonal) und Sabine B, Vogel (Kunstforum, Wolkenkratzer).
Moderation: Dr. Sibylle Fritsch (Journalistin)
 
Ausstellung: 11. - 21. 10. 2000
Bild- und Tonmaterial, Videodokumentation der Diskussion.
Ausstellungszentrum Heiligenkreuzerhof, Eingang Grashofgasse 3. 1010 Wien
Öffnungszeiten: Di-Fr 11 - 18 Uhr, Sa 10 - 17 Uhr
Galerieleitung: Alexandra Goldbacher (+43-1-71133-6300)
 
"HEIMAT - TRANSLATION"
Lectureperformance von Mike Hentz: 10. 10. 2000, 20.00 Uhr
LECTURE PERFORMANCE EVENT
MONOLOG DIALOG MULTILOG
Performanceevent des Hentz Projekts: Heimat- Odyssee
mit anschliessenden Fest mit L-onely Lights (Starsky & Hentz), ArchitekturstudentInnen und KunststudentInnen von drei Universitäten, eine "Klima"zone am Beginn des neuen Studienjahres
Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste Wien (Semperdepot), Prospekthof, Leharg. 6, 1060 Wien
 
11. 10.- 18. 10. 2000
HEIMAT - ODYSSEE WORKSHOP
für Studierende der Akademie der bildenden Künste, der Universität für Angewandte Kunst und der Technischen Universität, Wien
Kontakt: a.findeisen@akbild.ac.at, (Andreas Leo Findeisen, Institut für Kulturphilosophie und Medientheorie)
 
Eine Kooperation der Universität für Angewandte Kunst Wien, Ordinariat für visuelle Mediengestaltung und der Akademie der bildenden Künste Wien, Meisterklasse Malerei und Graphik für den erweiterten malerischen Raum, sowie dem Institut für Kulturphilosophie und Medientheorie.
In Zusammenarbeit mit dem Institut für Baukunst, Bauaufnahmen und Architekturtheorie, Technische Universität Wien, Fachschaft Architektur der TU Wien, der ÖH der Universität für Angewandte Kunst und der ÖH der Akademie der bildenden Künste, sowie Hannah´s Plan - Events und Catering u.a.
 
 
 
 
 
 
 
"Wir werden einen fünf Tonnen schweren Stein von England in den Himalaya bringen. Einfach so - als größte Performance aller Zeiten..." (minus delta t),
 
In der Gewissheit, dass ab einer gewissen Anzahl von Kontexten ihr völlig funktionsloser Transport zu einer Art Sphinx der ideologisch geladenen Zeichen mutieren würde, liessen sie den Stein vom Pabst in Rom segnen und von keltischen Druiden belagern, überredeten Mick Jagger -rolling stone meets rolling stone- für ein Posing, besuchten den Centre Pompidou in Paris und den Parteitag der kommunistischen Partei in Bologna, erlangten eine Audienz beim Dalai Lama und, unvermeidlich, auch bei Bruno Kreisky. Die Konsequenz der Konsequenz: Der Stein entwischt allen gleichzeitig, die "Mediamystik" kippt um in ihr Gegenteil und hinterlässt zur Überraschung aller Eingeweihten und Nichteingeweihten ein Ready-Made aus 5,5 Tonnen Substanz und 20.000 Kilometern Durchquerung. Wollten die Heutigen sich vorstellen, was da vorübergehend in Neu Dehli stationiert wurde, sie konnten es sich folglich weder leicht machen noch ihre Zuflucht im Naheliegenden finden.
 
Ob und wann der Stein weiter transportiert wird, ist eine der (eventuell unwesentlichsten) Fragen zum Projekt...
 
 
Die Bezeichnungen von minus delta t sind vielfach: von Mediamysik-Situationisten, Kunstguerilla, Punk und Trillerpfeifen- Musiker bis zu Extremaktivisten und besten Live-Band des Abends. (Diedrich Diedrichsen, 1980 in "Sounds".
Eines ist minus delta t auf alle Falle: Performancekunst der 80er Jahre, soweit ließe sich eine Klassifizierung zu.
Performancekunst der 80er Jahre ist nach den Bewegungen Fluxus, Happening, Aktionismus und den Arbeiten der 60er und 70er Jahre komplexer und weniger selbstbezüglich - was die einzelnen Darstellungen und deren Mediatisierung betrifft -, aber auch schwieriger geworden.
Die 80er Performancekünstler sind mit Medien aufgewachsen und wieder an Gruppenarbeiten interessiert; eine Art Netzwerk entsteht und die Unterscheidung von alltäglichen Prozessen und Inszenierungen ist eher subtil als generös. (Auch wenn ein 5,5 Tonnen Stein auf den ersten Blick nichts mit Subtiliät zu tun haben scheint, ist der Prozess der Mediamystik, den minus delta t damit zu decodieren versucht ein alltäglicher.
minus delta t hat Ende der 70er Jahre (deren typisches Beispiel die Einzelperformance ist, in der an sich bzw. mit sich gearbeitet wird) – die Gruppe und das Netzwerk als Gegenbewegung der via TV vorgegebenen Isolation verstanden. Sie waren interessiert an der Schaffung von Gemeinsamkeiten jenseits ökonomischer oder zwanghafter Interessensverbände. Die Reise mit dem Stein ist ein Gruppenprozess, der zufällig eine Reise mit dem Stein ist.
"Ich möchte noch einmal in aller Deutlichkeit betonen, wir leben durch euch und ihr könnt vielleicht ohne uns leben, es gibt keine Freiheit und das ist schön. Falls ihr konkret an der Kreiierung der Zukunft auch arbeiten wollt, müsst ihr eure Freiräume verlassen, die Sicherheiten aufgeben. Es stimmt nicht, dass ihr es nicht könnt, jeder kann es, nur keine Kompromisse schliessen wegen der Bequemlichkeit, sie werden euch mit dem Leben bedrohen. Verbrennt alle Bücher, auch dieses, schreibt eure eigenen, damit andere sie wieder verbrennen können, ihr werdet ja sonst so und so nur ausgenützt mit Ideologien und Ersatzphilosophien, die mit euch nichts zu tun haben." (Auszug aus der 6. Universaltheorie von Karel Dudesek, 1982)
Hier wird deutlich, dass die Reise vor allem ein Feldversuch ausserhalb des Feldes der europäischen Kunst ist und dennoch nur durch dieses Feld funktioniert, die Frage nach der heutigen Einordnung des Projekts, von teilnehmenden Künstlern (Mike Hentz und Karel Dudesek) und von den - durch Berichterstattung zu - Beteiligten am Mediahypes minus delta t ist eine zu Stellende.
 
"minus delta t war darauf abonniert, das Unmögliche möglich zu machen. In den siebziger Jahren vollbrachten sie Dinge, wie z.B. mitten in der Ölkrise ein Faß Rohöl nach Bagdad zu transportieren oder in US-amerikanischen Armee-Uniformen per Autostop nach Polen zu reisen. ...Das Anliegen der Gruppe war, Ereignisse im öffentlichen Raum auszulösen, Ereignisse, die das Denken der Menschen beeinflussen sollten. minus delta t wollte die Menschen aus den geregelten Bahnen herausholen und ihnen zeigen, daß es auch andere Möglichkeiten gibt, die Welt zu sehen und in ihr zu agieren. Man könnte sagen, sie verfolgten einen prozeßhaften und partizipatorischen Kunstbegriff. Anders gesagt, es ging ihnen darum, die Leute durch Aktionen anzustiften, selbst zu Mitgestaltern der Ereignisse zu werden. Die große Stärke der bei minus delta t beteiligten Individuen war, in gegebenen Situationen den psychischen Knackpunkt des jeweiligen Publikums zu finden, jenen Riß in der sozialen Rüstung, der es ermöglicht, das Korsett schließlich zu sprengen und echte Spontanäitet freizusetzen. An diesen grundsätzlichen Zielen, durch Aktionen im öffentlichen Raum das Publikum aus der Reserve zu locken und es zu Mitgestaltern von Ereignissen zu machen, hat sich bis heute nichts geändert. Aus dem öffentlichen Raum von einst wurde nun allerdings der virtuelle Raum der Netze..."(Armin Medosch aus Telepolis online, Van Gogh TV – Die Hintergrundgeschichte)
Diese Mitgestalter von Ereignissen waren bei minus delta t zahlreich und oft war der Abschied ein Ausstieg aus dem gesamten Netzwerk minus delta t. Die Frage nach dem entstandenen Netzwerk und der (Un-)Möglichkeit der Gruppenarbeit geht ebenfalls an Mike Hentz und Karel Dudesek, sowie Kunstmarktkennerin, Kuratorin und Kritikerin Sabine B. Vogel, sowie Kunstbeobachter und ebenfalls Kurator: Dr. Wolfgang Kos.
Die Reise von Europa nach Asien mit einen Lkw, Mobilem Studio (Video, Ton und Computer) heisst für die Gruppe: Kommunikation nach Europa mit Telex, Datex oder Telefon. ... Unsere Erfahrung als Jäger, Händler, Sammler und Sender von Kultur während der Reise nach Asien zeigte uns die Wichtigkeit des praktischen Transportes von Information. Der Gesellschaft der westlichen Informationsordnung ist trotz Satellitenfernsehens nicht möglich, die Wichtigkeit eines östlichen Lebensrhythmusses nachzuvollziehen." (minus delta t, 1983)
Einige ausgewählte "Kommunikationen" nach Europa (u. a. die Radioberichte der Musikbox), sowie bisher nicht veröffentliche Bilder von der Reise zeigt die Archivschau des Heiligenkreuzerhofes, die noch 2 Wochen nach der Podiumsdiskussion geöffnet sein wird.
 
Mit der Gruppe minus delta t (Codierte Bezeichnung einer statistisch berechenbaren Zukunft, die vorweggenommen wird) definiert Mike Hentz den Kunstbegriff des "Klimas". Demnach ist ein Kunstwerk nicht einfach ein Bild oder ein Objekt, sondern eine authentische Atmosphäre.
"Auf dem Weg zum immateriellen Gesamtkunstwerk im zeitlosen Raum. Ein zentrales Thema unseres Gesamtkunstwerkes ist das Klima, das auf die unterschiedlichsten Ereignisse oder Gegebenheiten zutreffen kann. Das Klima ist und entsteht überall, es steht über dem Material. Es ist intensiv und fördert durch Handlung und Entscheidung Bewußtsein." (minus delta t, Arbeitstext zur Arbeitsoper)
 
Die Arbeiten von Mike Hentz und Karel Dudesek sind heute ein typisches Beispiel für den Brückenschlag von Ideen der Intermedia Kunst zu den elektronischen Medien. Der Einsatz aller verfügbaren Medien zur Dokumentation und zur "Klimatisierung"des Events ist dabei notwendiger Teil des Ganzen.
HEIMAT - ODYSSEE
Seit Anfang der neunziger Jahre entwickelt und realisiert Mike Hentz federführend mit dem französischen Architekten und Multimediakünstler Gerard Couty in verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichsten Mitarbeitern das Projekt Odyssee. Zudem hatten beide mittlerweile Lehrerfahrung an Kunsthochschulen gesammelt, neue Vermittlungsformen werden entwickelt, um das Gelernte aus den unzähligen Projekten und Reisen für die Studierenden fruchtbar zu machen. Das Projekt geht von einen umfassenden praktischen Kulturbegriff aus und entwickelt sich ständig weiter zu grossangelegten Odyssee- Settings, wie sie im Dezember z.B. im Forum Stadtpark in Graz stattfinden werden, gesellen sich Vorträge und medienunterstütze Einzel- wie auch Gruppenarbeiten. In Wien wird Mike Hentz mit Kunst- und Architekturstudierenden über deren "Heimaten" in Dialog treten, die jeweils anders geprägten Konstellationen von Gefühlen, Gegenständen, Orten und Codes thematisieren und dafür gemeinsame wie auch individuelle Aufgaben erarbeiten.
Hier Vortragsauszüge von Mike Hentz:
"In der heutigen Zeit befinden wir uns auf einer geistigen Irrfahrt, für die wir die Metapher der Odyssee gewählt haben: 22 Jahre mit einem Schiff durch die Welt zu irren und die Heimat zu suchen. Der Begriff Heimat ist bei den letzten zwei Generationen fast zu einem Schimpfwort geworden. Das traditionelle Verständnis von Heimat hat sich bei den Jüngeren immer mehr von der räumlichen, bodenständigen Verortung hin verlagert auf ein Gefühl, ein Feeling, auf Musik und anderes, mit dem sie sich identifizieren."
"Heimat ist ein abstrakter Begriff geworden, dessen Greifbarkeit oder Materialisierung schwierig ist. Gefühle kann man nicht verorten, geographisch festlegen, sondern sie sind im räumlichen Sinn "abstrakt", sie schweben. Seit der Nachkriegszeit haben die verschiedenen Massenmedien eine bis dahin nie gekannte Vielzahl an Identifikations angeboten bereitgestellt, die zwangsläufig zur Schwächung traditioneller Bindungen und Verortungen führte. Ausserdem wurde es mehr und mehr Menschen möglich, an
Orte in der ganzen Welt zu reisen, was früher ein Privileg der Oberschichten war. Ansonsten kannten nur Emigranten oder Flüchtlinge die Erfahrung anderer Kulturen. Die Odyssee als eine (Irr)fahrt durch verschiedene Kulturen kann auch als Metapher für viele heutige Lebenswege gelten. So ist sie auch ein Synonym dafür, was ich selbst bin: eine Art europäischer Bastard. Meine Mutter kam aus der italienischen Schweiz, mein Vater war Österreich-Ungar. Ich bin in Amerika geboren, habe zwei Staatsbürgerschaften und drei Aufenthaltsgenehmigungen in drei europäischen Ländern. Mein Leben lang, schon durch meine Eltern, gehöre ich zu den Spezies Mensch, für die es als "Kosmopoliten" ein Problem ist, eine Form von Heimat zu finden. Darin liegt für mich, wie heute für viele Menschen in allen Teilen der Welt, ein wesentlicher Bestandteil des Lebenssinns. Deshalb suche ich nach einer Form, um dieses Gefühl mitzuteilen. Für meine künstlerische Arbeit ist es dabei sehr wichtig, die
Trennung zwischen Künstler und Publikum oder Kunstbetrachtern aufzulösen und so den Begriff der Odyssee als Metapher heutiger Erfahrung in Zusammenarbeit mit Menschen aus anderen Berufen und kulturellen Zusammenhängen zu erarbeiten."
Die Lecture-performance im Semperdepot zeigt Hentz in Aktion mit Gegenständen, deren Videobilder er mit gesampelten Material live zu einer Komposition von Sounds, Geräuschen und Stimme mischt. Die Heimat - Odyssee Lectureperformance ist, um mit Hentz zu sprechen, eine authentische Atmosphäre.