Reinhold Grether on Fri, 28 Jan 2000 12:12:26 +0100 (CET)


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[rohrpost] Re: endomanagement (garantiert etoyfrei)


Hallo Sascha,

kleiner Sprung in die Bresche. Artur P. Schmidt duerfte vielen
als Telepolis-Kolumnist bekannt sein. Ich habe seine voluminoese
Dissertation "Endo-Management. Nichtlineare Lenkung komplexer
Systeme und Interfaces, Bern: Haupt 1998" mit Gewinn gelesen/
ueberflogen. Managementprozesse in rekursiven Schleifen anstatt in
hierarchischen Kommando- und Kontrollmustern zu beschreiben,
ist innerhalb der Betriebswirtschaftslehre noch immer ein gewagtes
Unterfangen. Im deutschen Sprachraum wirkt hier der
St. Galler Managementansatz schulebildend. Management, so
der systemtheoretische Gedanke, kann niemals auf Wirklichkeiten,
sondern immer nur auf Wirklichkeitskonstruktionen zugreifen.
Und selbst das nur scheinbar. Im Grunde kann es nur hoffen,
dass seine Faxen in parallel prozessierte Faxe umgesetzt werden.
Es gibt also keine direkte, sondern bestenfalls eine indirekte
Lenkung. In diesen systemtheoretischen Ansatz fuehrt Schmidt
zwei strukturverwandte Begrifflichkeiten aus Physik und
Computerwissenschaften ein: das Beobachtertheorem der
Kernphysik und die Schnittstellentheorie der Telematik. Beide
kommen darin ueberein, dass der Beobachter durch
seine Beobachtung Teil des Beobachteten wird und dadurch
das Beobachtete veraendert. Im Prozess des Beobachtens
ist der Beobachter sowohl draussen als auch drinnen, mithin
ist sein Beobachten selbst ein Exo/Endo-Schnitt. "Welt" ist
kein isoliertes Gegenueber, sondern ein unendlicher
Verschnitt aus rekursiven Exo/Endo-Schnitten. Nimmt man
diese Interpretation an, muss Management radikal vom
Interface her gedacht werden und Schmidts Buch geht erste
Schritte in diese Richtung. Ueber die Kybernetik gewinnt
Schmidt Anschluesse an Wiener und ueber die Magie des
Interfaces an die romantische Physik. Die Verbesserung von
Mitteleuropa ist eben ein langwieriges, ich wuerde sagen,
aussichtsloses Unternehmen.

Sei(d) gegruesst!
Reinhold Grether

___
On 27.01.2000 at 13:16 sascha brossmann wrote:

sorry wg. zitat-/message-verhältnis...

>zur Info: Pressetext
>
>ENDO-MANAGEMENT
>- Entrepreneurship im Interface des World Wide Web -
>von Artur P. Schmidt
>
>(...)
>
>Endo-Management handelt von den neuartigen Chancen, die sich durch
>die Verschmelzung von Virtuellen Realitäten, Künstlichem Leben,
>Endophysik, Parallelrechnern und Nanotechnologien entfalten. (...)
>Durch diese Integration wird der Mensch zum Gestalter seiner eigenen
>Evolution: (...)

fühlt sich noch jemand bei diesen schlagworten schwer an o. wieners
notizen zum bioadapter in der "verbesserung von  mitteleuropa"
erinnert? ende der 60er jahre... soviel zum thema "neuartig". nur
dass wiener vor mehr als 30 jahren wahrscheinlich noch etwas weiter
ging, was diesen bereich betrifft. (reine vermutung, habe das
schmidt-buch nicht gelesen und möchte mich insofern zum rest nicht
weiter äussern.)

sascha

p.s.: hallo listenadmin, der reply-to-header der mailings beinhaltet
dummerweise erstmal die absenderadresse und nicht
"rohrpost@mikrolisten.de". das nervt! lässt sich das ändern?

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er denkt nach // welche dinge stiehlt er aus der welt, welche
gegenstände verändert er in seinen tropfen hinein, mit welchem
plunder balsamiert er seine wahrnehmung? - oswald wiener



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